Kein Roman Thomas Manns wurde zugleich derartig hochgeschätzt
und so beklagenswert vernachlässigt wie sein Doktor Faustus. Das zeigt die Rezeptions- und Interpretationsgeschichte auf drastische Weise. Offensichtlich hat die ganz ungewöhnliche Fülle von Bemerkungen über die Absichten, Pläne und Konzeptionen des Romans, die Thomas Mann in seinen Tagebüchern, Briefen und in der Entstehung des Doktor Faustus notierte, dazu geführt, sich weniger vom poetischen Text als von den Urteilen, Selbstanalysen und Romanauslegungen des Dichters leiten zu lassen, die freilich so fehlerhaft wie bei kaum einem anderen Beispiel der Literaturgeschichte sind. Dadurch kommt es in der Faustus-Philologie zu grotesken Irrwegen, horrenden Fehlinterpretationen und absurden Exegesen, die in dieser Studie wenigstens teilweise aufgedeckt und korrigiert werden.