Die vorliegende Monographie nimmt die literarischen Gestaltungen
der Kaspar-Hauser-Figur und ihrer Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert zum Anlaß, exemplarisch zentrale Themen der literarischen Moderne zu umreißen, durch Textinterpretationen zu beleuchten und in ihrem Zusammenhang untereinander transparent zu machen. Das erste dieser Themen ist der Mensch in seiner Undeterminiertheit, Unbestimmtheit, Orientierungslosigkeit – oder positiv gesagt; in seinem Konstrukt- und Entwurfscharakter. Das zweite Thema ist die Sprache – nicht nur in ihrer Eigenschaft als Artikulationsmedium des Dichters, sondern auch als ein Medium der Erschließung, Interpretation und Konstitution von Wirklichkeit. Die prägende Bedeutung der Sprache für die Beziehung des Sprachbenutzers zu seiner Welt und zu sich selbst wird gerade anläßlich sprachkritischer Reflexionen und sprachbezogener Krisenbefunde nachhaltig offenbar. Das dritte Thema ist die Dichtung: Wenn moderne Dichtung durch die Vielfalt der Strategien charakterisiert ist, mittels derer sie sich selbst bespiegelt, so läßt sich eine große Zahl dieser Strategien an Texten demonstrieren, die auf die Figur Kaspar Hausers Bezug nehmen.