Demokratieforschung war traditionell ein Stiefkind deutscher Historiographiegeschichte. Was den Vormärz und die Revolution 1848/49 betrifft, hat das 150. Jubiläumsjahr 1998 partiell Ansätze zu einer Erweiterung des Interessenhorizonts der Geschichtsschreibung erkennen lassen. Unter der großen Zahl der Veröffentlichungen, die durch das Gedenkjahr 1998 veranlaßt wurden, befinden sich auch solche, die bestimmten demokratischen Bestrebungen in den verschiedenen Regionen des damaligen Deutschlands nachspüren. Für die preußische Provinz Schlesien gilt diese Feststellung nicht. Obwohl Schlesien im Jahre 1848 eines der Zentren im Ringen um die Durchsetzung bürgerlich-demokratischer Verhältnisse in der Mitte Europas war, fand diese Tradition weder in der deutschen noch in der polnischen Historiographie gebührende Beachtung. Vereinzelte ältere Veröffentlichungen von deutschen wie polnischen Autoren zur Geschichte demokratischer Bestrebungen in Schlesien im zeitlichen Umfeld von 1848/49 bieten teils wertvolle Hinweise zur Erschließung des Themas, dokumentieren aber zugleich die bestehenden Defizite in der umfassenden Aufhellung dieses Forschungsfeldes.
Der vorliegende in zwei Halbbänden erscheinende Sammelband verfolgt das Ziel, einen Beitrag zur Schließung dieser Lücke zu leisten. Er vereinigt teils vor Jahren entstandene, teils erst jüngst geschriebene Studien. Mit zwei Ausnahmen handelt es sich um Arbeiten, die bereits an anderen, freilich zum Teil kaum allgemein zugänglichen Orten erschienen sind, hier jedoch teilweise in bearbeiteter, ergänzter und erweiterter Fassung vorgelegt werden.
Im Mittelpunkt der Studien steht Schlesiens Weg in die bürgerliche Gesellschaft im 19. Jahrhundert, insbesondere die Zeit des Vormärz und der Revolution von 1848/49. Ein erster Halbband enthält Beiträge über Ereignisse, Prozesse und Bewegungen. Der zweite Halbband vereinigt biographische Darstellungen schlesischer Akteure und Protagonisten im Ringen um eine demokratische Neugestaltung der Gesellschaft.
Gegenstand der Untersuchungen im ersten Halbband sind die Agrarreformen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die die Durchsetzung bürgerlich-kapitalistischer Produktionsverhältnisse in der Landwirtschaft beförderten, die elementar-demokratischen Bewegungen des Landvolkes in Schlesien zu Beginn der Revolution 1848 sowie die Reaktionen darauf in Staat und Gesellschaft, die Haltung der Parteien gegenüber der Landbevölkerung in der Wahlbewegung im Frühjahr 1848, das Wirken der schlesischen Abgeordneten in der preußischen verfassungsgebenden Versammlung von 1848 mit einer Dokumentation der schlesischen Wahlkreise und der gewählten Abgeordneten und ihren Stellvertretern sowie einem biographischen Verzeichnis sämtlicher schlesischer Abgeordneten, eine lexikalisch-knappe Darstellung des Rustikalvereins in Schlesien, ein Überblick über die Bauernbewegungen in den Revolutionsjahren in der Grafschaft Glatz und schließlich eine Studie, die Nachdrucken aus der "Neuen Rheinischen Zeitung" in Schlesien nachspürt.