Sechs Länder grenzen ans Schwarze Meer. «Karadeniz nennen es die Türken. Marea Neagră sagen die Rumänen, Schawi Sghwa die Georgier, Amschyn Eikwa die Abchasen. Bei den Bulgaren heißt es Tscherno More, bei den Russen Tschornoje Morje, bei den Ukrainern Tschorne More. Sechseinhalb, wenn man Abchasien mitzählt, eine abtrünnige Provinz Georgiens. Sieben, wenn man Moldawien mitzählt, wo es einst eine Küste gab, bevor das Land landeinwärts wanderte. Sieben, wenn man Transnistrien mitzählt, eine abtrünnige Provinz Moldawiens. Siebeneinhalb, wenn die Krim zu Russland gehört, siebeneinhalb, wenn sie zur Ukraine gehört, acht, wenn man die Krim lieber für sich nimmt. Achteinhalb, wenn man das Ruinenreich der alten Griechen mitzählt.
((als Leseprobe setzen???))

«Schwere See» porträtiert das Schwarze Meer als Lebensraum. Geschrieben in Form einer Reisereportage, die den Leser im Kreis um das eurasische Binnengewässer führt, schlägt das Buch gleichzeitig Haken in die Historie, thematisiert Konflikte unter den Anrainern, setzt sich mit der Umwelt- und Wirtschaftssituation des Gewässers auseinander und trägt Sagen, Legenden und literarische Annäherungen zusammen. Ein Leitmotiv wird dabei der Umgang mit Grenzen sein: Quer durch das Meer verläuft die geographische Grenze zwischen Europa und Asien. Orthodoxe Russen, Ukrainer, Georgier und Bulgaren treffen im Schwarzmeerraum auf muslimische Türken und Krimtataren, rumänische Katholiken, jüdische Karaimer und russische Altgläubige. Wirtschaftliche Interessen verbinden und trennen die Schwarzmeeranrainer, politische Differenzen, unterschiedliche Geschichtsbilder und abweichende Zukunftsvisionen prägen ihren Blick auf das Gewässer, an dessen Ufern sie sich begegnen.

Aus großer Nähe, relevant, poetisch, humorvoll und eindringlich erzählt Jens Mühling von einem Meer zwischen den Trennlinien Europas, von seinen Anwohnern, seiner Vergangenheit und Zukunft – und führt uns dabei anschaulich vor Augen, dass alle Grenzen letztlich fließende sind.