Nicht Zensur prägt das heutige Russland, sondern ein autoritäres Machtverhältnis neueren Typs. Die Politik hat sich der Lehren der Postmoderne bedient und entwirft ihre eigene Omnipräsenz als postideologisches Gesamtkunstwerk so umfassend, dass sie sich selbst oppositionelle Bestrebungen zu eigen machen kann. Diese Literarisierung und Poetisierung des Politischen hat schleichend stattgefunden, und die Analyse jüngster politischer Entwicklungen der russischen Staatlichkeit muss nun mit Mitteln der Ästhetik erfolgen. Ekaterina Vassilieva nimmt dabei konservative Autoren ebenso unter die Lupe wie diejenigen, die eine emanzipatorische und kritische Position vertreten. Sie alle eint, dass sie mit ästhetischen Mitteln in das Politische eingreifen und durch ihre Werke eine gesellschaftliche Wirkung erzielen. Hoffnung schimmert in der Lyrik auf – jener Gattung, die, einer kritischen Tradition verpflichtet sowie in einer ständigen Innovationsbewegung begriffen bleibt, zeigt, dass ein vielstimmiges, emanzipatorisches Sprechen möglich ist.