Der religionsgeschichtliche Hintergrund von Genesis 2–3 lässt sich an zwei Stellen genauer bestimmen, als dies bisher geschehen ist: Einmal ist unter der Oberfläche des kanonischen Textes eine ältere Vorstufe verborgen, die sich mit einiger Sicherheit rekonstruieren lässt. Der Schlüssel dazu sind die Worte der Schlange »Ihr werdet nicht sterben«. Damit meint sie nicht eine eventuell zu befürchtende Todesstrafe, sondern: »Ihr werdet nicht sterben, sondern euch verjüngen – genauso wie die Früchte mir die Jugend wiederbringen. Wenn ihr sie esst, werdet ihr erfahren, dass sie dafür gut sind.« Von diesem Ansatz her fällt neues Licht sowohl auf die rätselhafte »Klugheit« der Schlange wie auch auf die »Erkenntnis von Gut und Böse«. Beachtet wurde bisher auch noch nicht, welchen Hintergrund die Verleihung des Titels »Mutter aller Lebendigen« an Eva hat. Dahinter steht die archaische Vorstellung von einer mütterlichen Erde, die die Lebewesen durch Geburt hervorbringt. Dieser Mythos wird ersetzt durch den des Schöpfergottes, der den Menschen aus dem Staub der Erde formt. Darum ist nicht »Mutter Erde«, sondern die von Gott geschaffene Eva »Mutter aller Lebendigen«.Diese beiden Deutungen lassen viele Probleme des Textes in neuem Licht erscheinen. Die Arbeit beginnt mit einem eingehenden Überblick über die bisherige Forschung, erschließt dann die ältere Vorstufe des Textes und versucht schließlich zu beschreiben, durch welche Redaktionen er seine kanonische Gestalt erhalten hat.