Alfred-Döblin-Preis 2007 für den großen Roman über die Mechanismen der Macht und die Mechanik der Gefühle

»Wir stürzen ab, betet für mich« – diese SMS erhält ein Vater von seiner Tochter mitten in der Nacht, in einem Hotelzimmer in Nordamerika. Was wie ein grausamer Scherz klingt, erweist sich als der modernste aller Albträume: Selbst aus todgeweihten Flugzeugen können wir noch Nachrichten empfangen – Nachrichten an alle.

Mit diesem Donnerschlag beginnt der neue Roman von Michael Kumpfmüller (Hampels Fluchten), der die Politik zurück in die deutsche Literatur bringt. Denn der Vater, der diese Nachricht bekommt, ist Innenminister eines europäischen Landes, das gerade in eine schwere Krise stürzt. Streiks, soziale Unruhen und diffuse terroristische Bedrohungen lassen Minister Selden keine Zeit für Trauer.

In Nachricht an alle treibt Michael Kumpfmüller eine Sonde durch die Schichten unserer westlichen Demokratien. Nicht nur Seldens private und politische Konflikte interessieren ihn, sondern die monströsen Mechanismen innerer Sicherheit, die gegenseitige Durchdringung von privater und öffentlicher Sphäre. Dazu gehört auch das dröhnende Räsonnement von Medien und Experten sowie Volkes Stimme, das als Hintergrundrauschen den politischen Diskurs begleitet und aushöhlt.

Kumpfmüller gelingt ein flirrendes Gegenwartsporträt der Gleichzeitigkeiten: Während in den klimatisierten Büros der Eliten Entscheidungen getroffen werden, beginnt sich unten in den Großstadtschluchten, an den heißen Rändern der Gesellschaft, eine Gruppe von Menschen zu regen, die auf den großen Schlag wartet.

So kenntnisreich, packend und klug ist in der deutschen Literatur lange nicht über Politik und Gesellschaft geschrieben worden. Mit diesem groß angelegten, sprachlich fein gearbeiteten und vielstimmigen Roman erweist sich Michael Kumpfmüller als bedeutender Romancier unserer Zeit.