30 Jahre nach dem Erscheinen von Edward Saids berühmt-berüchtigter Studie über den europäischen „Orientalismus“ ist es an der Zeit, die deutschsprachige Literatur nicht länger von der Diskussion über eines der beherrschenden, Phänomene des 19. Jahrhunderts auszuschließen: den Kolonialismus. In subtilen Textlektüren legt Axel Dunker ‚koloniale Strukturen’ frei in den Werken einiger der bedeutendsten Autoren deutscher Sprache zwischen der Spätaufklärung und dem Ende des Realismus: Wezel, Seume, Kleist, Hoffmann, Eichendorff, Stifter, Storm, Keller, Raabe und Fontane stehen im Fokus der Untersuchung. Auch wenn das Verfahren der ‚kontrapunktischen Lektüre’ eine Leseanweisung Saids beim Wort nimmt, geht es nicht darum, Autoren und ihre Texte ideologiekritisch zu verdammen. Nicht Denunziation ist gefragt – große Literatur erweist sich als einzigartiges Instrumentarium, tiefgreifende Ambivalenzen gegenüber allem Fremden und Kolonialen zum Ausdruck zu bringen.