Die Lehre vom Literaturunterricht steht wie alle Fachdidaktiken in einem angespannten Verhältnis zwischen den Fach- und den Erziehungswissenschaften. Volker Gerner beschreibt, wie dieses Verhältnis systematisch durchdacht werden und so die Lehre vom Fachunterricht ihre eigene Position finden kann. Dazu analysiert er die gängige Verwechslung von wissenschaftlicher und angewandter Didaktik und gibt Fachdidaktikern in Schule, Hochschule und Studium eine historisch gesättigte, umfassende Definition des Bildungsbegriffs an die Hand. Für den speziellen Fall des Literaturunterrichts sind vor allem die lange vernachlässigten literaturwissenschaftlichen Theorien, die an gültigen Interpretationsaussagen interessiert sind, relevant für bildungs- und identitätsorientierte Literaturbegegnung. Nur sie nehmen Texte in ihrer Widerständigkeit ernst. Typische didaktische Pole wie Schüler- versus Gegenstandsorientierung oder Handlung versus Analyse lassen sich mit dem vorgestellten Bildungs- und Literaturbegriff sinnstiftend relativieren. Ein wissenschaftstheoretisches Plädoyer für eine stärker pädagogisch fundierte Auffassung von Fachdidaktik, zugleich ein literaturdidaktisches Plädoyer für das systematische Einbeziehen von Fremdheitserfahrungen in den Literaturunterricht und seine Wissenschaft.