Die Form eines Kunstwerks, auch wenn sie in jeder Disziplin bereits eine Reihe von Kategorisierungen erfahren hat, verlangt vom Künstler eine besondere Sorgfalt, zumal sie die von ihm intendierten Inhalte trägt. Die Freiheit, die die Kunst verfügt, mit den normierten Gattungen so umzugehen, daß ihre Formgebung teilweise oder gänzlich der ihr zugewiesenen Kategorisierung abweicht, schafft das inhärente Paradoxon eines für die Rezeption definierbaren Kunstobjekts. Auch wenn jede Kunstrichtung mit ihren eigenen Gattungen unterschiedlich umgehen (schließlich unterscheidet sich das Material beispielsweise der bildenden Kunst von dem der Musik oder der Literatur), so sind Formentlehnungen und -übertragungen aus einer Nachbardisziplin in allen Künsten vorhanden. Diese sogenannte Intermedialität, die mit einer Gattungstransformation einhergeht, modifiziert selbstverständlich auch die in ihr enthaltenen Inhalte. Im besonderen Fall von literarischen Texten, die einen intermedialen Gattungsbezug zu Musik haben, drängt die selbstreferentielle Semantik ihrer Strukturen in das Sprachsystem ein. Gert Jonke, der bereits in seinen frühen Texten einen besonderen Bezug zur Musik aufweist, verlegt seinen Aussageschwerpunkt immer mehr auf die Schnittstelle zwischen diesen zwei Kunstrichtungen. Die für diese komparatistische Studie ausgewählten Texte Gert Jonkes haben die intermediale Auseinandersetzung besonders in der Formgebung gemeinsam, als würden Aussage und Form (statt Form und Inhalt) einander bedingen: Nicht umsonst wird in diesen Texten der zeitgenössische Umgang mit der Kunst und deren Rezeption stark thematisiert. Der eigentliche Grund, weshalb sich dieser Autor an den Kompositionsverfahren der Musik orientiert, liegt aber in seinem Umgang mit der illusorischen Darstellbarkeit von Raum und Zeit mittels Sprache. So versucht diese intermediale Analyse zu zeigen, welche Thematik, sei es Kunstkritik oder Schreibproblematik, durch Übertragungen aus der Nachbarkunst Musik zum Vorschein kommt.