Text und Bild waren in der um 1270/75 entstandenen 'Großen Bilderhandschrift' des Willehalm Wolframs von Eschenbach kontinuierlich einander gegenüber gestellt. Im vollständigen Zustand muss diese einzigartige volkssprachige Epenhandschrift, von der nur noch Fragmente vorhanden sind, nahezu 1300 Zeichnungen enthalten haben - eine Bilderfülle, die selbst in Handschriften mit geistlichem Inhalt nicht die Regel ist. Um den Besonderheiten dieser viel diskutierten Handschrift näherzukommen, ist in der vorliegenden Arbeit eine auf sie abgestimmte Methodik entwickelt worden: Mit einer Kombination von Ansätzen aus Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, Kodikologie und Semiotik werden die Fragmente detailliert untersucht und die Funktionen von Text und Bild neu bestimmt. Auf dieser Grundlage lässt sich die 'Große Bilderhandschrift' trotz ihrer Ausnahmestellung in ein Netz volkssprachiger und lateinischer Vergleichshandschriften einordnen. Im Ergebnis erscheint die Bilderfülle medienhistorisch nicht als Reflexion eines Übergangs von einer mündlichen zu einer schriftlichen Kultur (wie vorgeschlagen wurde), sondern als eine in der Schriftkultur verankerte Würdigung des Willehalm-Textes.