Literarische Texte sind dynamische Gebilde. Sie ermöglichen die Teilhabe der Lesenden und erfordern sie zugleich. Sie schaffen Tatsachen und verändern die Wirklichkeit. Sie stimulieren Reflexionsprozesse und Handlungsvollzüge.

Sie sind damit herausragende Beispiele für die Art und Weise, wie Kulturen Sinn erzeugen – durch Verhandlungen und Verheissungen, mediale Aufladungen und Selbstüberschreitungen. Die jüngere Kulturwissenschaft hat dergleichen unter dem Stichwort der ‹Performativität› beschrieben. Kaum aber hat sie sich dabei der Vormoderne zugewandt, obschon gerade in ihr der performative Charakter konstitutiv für die Eigenart der Texte ist.
Der vorliegende Band füllt diese Lücke. Er gibt einen repräsentativen Einblick in den Reichtum textueller Dimensionen, den performativ orientierte Lektüren sichtbar zu machen vermögen. Die einzelnen Kapitel decken ein breites historisches Spektrum ab. Sie widmen sich Texten von der Spätantike bis zur frühen Neuzeit, von Augustinus bis Descartes, von der spirituellen Autobiographie bis zum jesuitischen Reisebericht. Auch klassische Gattungen wie Bibelepik, höfischer Roman und Minnesang werden behandelt. Der Band ist damit zugleich eine Einführung in die Spezifik älterer Literatur – und die Verfahren aktueller Wissenschaft, sie zum Sprechen zu bringen.