Seit 1965 gibt es eine Reihe von Autoren, welche die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg kritisch ausleuchteten, ohne dass dieses Schreiben im öffentlichen Geschichtsbewusstsein etwas bewirkt hätte. Wenn man die Verknüpfung von Geschichts- und Sprachbewusstsein als Hypothese aufrechterhält, könnte somit behauptet werden, dass es der Literatur nicht gelang, für die Vergangenheit eine Sprache zu finden, die in der breiten Öffentlichkeit eine Erinnerungsarbeit freisetzen konnte.

1996 entbrannte in den Schweizer Tageszeitungen eine Debatte, die zu einem beinahe schlagartigen Anschwellen in der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Verhalten der Schweiz im Zweiten Weltkrieg führte. Erstmals in der Schweizer Nachkriegsgeschichte erfolgte die massenmediale Verbreitung der kollektiven Erinnerungen so intensiv, dass eine Breitenwirkung nicht ausblieb. Die Kriminalisierung der jüngsten Vergangenheit wurde zum integralen Bestandteil des Tagesgeschehens und erregte die Gemüter der Journalisten, Politiker, Historiker und der allgemeinen Leserschaft. Gerade in der individuellen Auseinandersetzung mit einer nationalen Schuld, persönlicher Verantwortlichkeit und in der Suche nach moralischer Entlastung zeigte sich aber auch, dass für den Umgang mit einer schwierigen Vergangenheit kein sprachliches Repertoire vorhanden war, das diese Thematik zu bewältigen vermochte. Die Realisierung, dass es an der sprachlichen Souveränität fehlte und dass die schweizerischen Gedächtnisdiskurse eine eigene Diskurssprache benötigten, führte dazu, die Vergangenheitsdebatten auf neue Fragestellungen auszuweiten, unter anderem auf die Suche nach früheren Formen der Erinnerungsarbeit, deren Modelle sprachlicher Bewältigung für die Gegenwart aufschlussreich sein könnten.
Die Autorin untersucht, was die Deutschschweizer Nachkriegsliteratur historiographisch und gedächtnispolitisch leistet und wo ihre Möglichkeiten und Grenzen liegen. Dabei geht es nicht darum, diese Literatur zu rehabilitieren. Vielmehr geht es um die Frage, wie diese Literatur die in die Zeit des Zweiten Weltkrieges zurückführenden Erinnerungsspuren weiterverfolgt und sichtbar macht, was im kollektiven Gedächtnis in der Nachkriegszeit marginalisiert blieb.