Ingeborg Bachmann und die 1942 geborene Anne Duden thematisieren die Shoah aus einer Perspektive, die Anne Duden als „Mitwisserschaft“ bezeichnet hat. Das Problem: „als Kind von Tätern, der Tätergeneration, involviert zu sein, ohne involviert zu sein“. Der „Pakt des Schweigens“, der im Nachkriegsdeutschland über den Nationalsozialismus herrschte, hat dazu geführt, dass sich die Nachgeborenen für die Verbrechen ihrer Eltern verantwortlich fühlten. In ihren Texten geht es um eine Schuld, für die es im kulturellen Gedächtnis keinen Ort gibt. Die Töchter nehmen die verleugnete Schuld der Väter auf sich, indem sie sich selbst zum Opfer machen. Doch die Identifikation mit der Opferrolle bestätigt nur die destruktive Macht der Täter und ihrer Ideologie. In Auseinandersetzung mit kulturanthropologischen, psychoanalytischen, philosophischen, literaturtheoretischen und feministischen Theorien zeichnet Annette Baumgartl die ästhetischen Lösungen nach, die Bachmann und Duden gefunden haben, um die Ambivalenz des Opferdiskurses, der in der Ästhetik der Moderne eine so unheilvolle Rolle gespielt hat, sichtbar zu machen. Dudens ungewöhnliche Lektüren der Renaissance-Malerei zeigen den Zusammenhang von Köperverachtung und Todesverdrängung seit Beginn der Neuzeit, die Auschwitz mit möglich gemacht haben.