Die Intensivierung der Anbausysteme ist eine auch im einheimischen Süßkirschenanbau nicht mehr aufzuhaltende Entwicklung. Knappe Ressourcen sowie ein steigendes Umwelt- und Verbraucherbewusstsein zwingen zu effizienten Lösungen für einen rentablen Anbau von Obst. Darunter fallen vorrangig Düngung, Bewässerung und Pflanzenschutz. In Zeiten der Harmonisierung des Pflanzenschutzmittelrechtes innerhalb der EU, steigendem Konkurrenzdruck auf dem einheimischen Absatzmarkt und zunehmend veränderten klimatischen Anbaubedingungen ist Handlungsbedarf geboten, der Obstanlage mit Hilfe intelligenten Anbaustrategien (Precision Agriculture, Nitrogen Use Efficiency) Wasser und Nährstoffe ressourcenschonend und bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen.

Die vorliegende Arbeit zeigt Vor- und Nachteile einer Folienüberdachung an der Modellfrucht Süßkirsche für die Praxisanwendung auf. Hauptaugenmerk lag hierbei auf der Erarbeitung von Nutzungsmöglichkeiten der veränderten mikroklimatischen Gegebenheiten unter geschützten Bedingungen für die Produktion von optimalen Fruchtqualitäten bei vitalem Baumbestand. Die Einführung von Überdachungssystemen soll die gartenbauliche Produktion im Inland stärken, einen rentablen, innovativen und effektiven Obstanbau ermöglichen und somit dem heutigen Verbraucherbewusstsein Rechnung tragen, das Transparenz bei umweltschonenden Produktionsabläufen fordert.

Mikroklima
Die mikroklimatischen Gegebenheiten unter einer Folienüberdachung lassen sich als gewächshausähnlich beschreiben. Globalstrahlung, relative Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit sind in dieser Anbauvariante verringert, die Lufttemperatur ist erhöht. Die veränderten kleinklimatischen Wachstumsbedingungen beschleunigen Entwicklungsprozesse und haben Auswirkungen auf die Baumphysiologie. Der Folieneinsatz ist besonders effektiv bei meteorologischen Extremsituationen (Hitze, Kälte, ergiebiger Niederschlag), die stark vom langjährigen Mittel während der wichtigen Phase der Fruchtentwicklung abweichen. Betriebliche Gegebenheiten sowie standortbedingte klimatische Verhältnisse sind beim Zeitpunkt des Aufziehens der Folie zu beachten.

Dynamisches Düngemodell
Die Ergebnisse der frühen Knospenmineralstoffanalyse in Verbindung mit der frühen Blattanalyse unter geschützten Bedingungen haben sich als vielversprechendes Kriterium herausgestellt, um Düngung- und Bewässerung rechtzeitig für die jeweilige Vegetationszeit bemessen zu können. Knospen sind Speicherorgane und spiegeln die Mineralstoffaufnahme des Vorjahres wider, daher können sie nicht ohne weiteres mit den bestehenden Blattreferenzwerten eingeschätzt und verglichen werden. Knospen-Referenzwerte sind ein wichtiges Instrument zur jahreszeitlich frühen Beurteilung der Nährstoffversorgung von Obstgehölzen. Die Ergebnisse der vorliegenden Dissertation zeigen dabei deutlich, dass bei Erarbeitung einer dynamischen Fertigationsstrategie zwischen geschützten und nichtgeschützten Flächen einer Obstanlage differenziert werden muss. Der Wasser- und Nährstoffbedarf der jeweiligen Anbauvarianten unterscheidet sich erheblich voneinander und sollte im Sinne einer ökologischen und rentablen Anlagenbewirtschaftung unterschiedlich bemessen werden. Es konnte nachgewiesen werden, dass bereits innerhalb des Untersuchungszeitraumes (3 Jahre) eine Adaptation an die geschützten Anbaubedingungen stattgefunden hat, die mit einem geringeren vegetativen Wachstum und veränderten Nährstoffansprüchen einherging. Dies ist bei der Planung einer Neuanlage zu berücksichtigen, sofern beide Anbauvarianten vorgesehen sind, da nur so ein technischer Mehraufwand minimiert werden kann. Diese Entwicklung war zu Beginn der Arbeit noch nicht abzusehen und führte bei fortgeführter Gleichbehandlung der beiden Anbauvarianten aus versuchstechnischen Gründen teilweise zu Mineralstoffmangel bei den Bäumen.

Phänologie und Fruchtqualität
Die temperaturbedingte Beschleunigung der Entwicklungsprozesse unter der Folie äußerte sich bei einem sehr frühen Folienaufziehzeitpunkt (vor der Blüte) in Form eines stärkeren Aufblühens. Durch diese Maßnahme werden Temperaturphasen unter 5° C zeitlich verkürzt, während Temperaturen über 20° C länger vorherrschen. Die Effektive Befruchtungsperiode ist dadurch verkürzt, was größere Einzelfruchtmassen und qualitativ hochwertigere Früchte zur Folge hatte. Durch den frühen Folienaufziehzeitpunkt konnte eine Verfrühung der Fruchtreife erreicht werden, die eine bedarfsgerechte Steuerung der Marktbelieferung ermöglicht bzw. dazu beiträgt, das Angebot von Früchten zeitlich nach vorne zu verlagern und somit den Vermarktungszeitraum zu verlängern. Die Fruchtqualität der Süßkirschen war unter der Folie deutlich erhöht. Die Früchte in der Folienvariante waren größer und hatten einen höheren Zuckergehalt.

Krankheits- und Schädlingsbefall
Die visuelle Überwachung des Krankheits- und Schädlingsbefalls einer Süßirschenanlage ist sehr zeitaufwändig und arbeitsintensiv. Diese Kontrolle ist jedoch notwendig, um gezielte und angemessene Pflanzenschutzmaßnahmen ergreifen zu können. Ein konsequentes Monitoring des Auftretens tatsächlich schädigender Krankheiten bzw. Krankheitserreger verbunden mit einer sorgfältigen Bestandhygiene verhelfen dazu, umweltbewusst zu handeln und letzt-endlich Kosten einzusparen.
In der ungeschützten Kontrollanlage traten vorrangig pilzliche und bakterielle Infektionen auf, die auf das Vorhandensein von feuchten Blattoberflächen und eine Verbreitung durch Wind angewiesen sind. Unter der Folie ließ sich dagegen ein verstärkter Schädlingsbefall, aber auch ein entsprechend hoher Nützlingsanteil feststellen. Der Anbau von Süßkirschenbäumen unter geschützten Bedingungen kann nach erster Einschätzung mit einem geringeren Aufwand an Fungiziden betrieben werden. Verstärktes Augenmerk ist jedoch auf den Schädlingsdruck zu richten bei besseren Einsatzmöglichkeiten für Nützlinge.