Im alltäglichen Sprachgebrauch wie in weiten Bereichen des literaturwissenschaftlichen Diskurses wird das Drama mit Theateraufführungen assoziiert oder sogar gleichgesetzt. Dementgegen erkennt die neuere Narratologie den Dramentext als vollgültige Rezeptionsgrundlage an. Als Konsequenz werden tradierte Gattungsgrenzen brüchig und die narrativen Bausteine des Dramatischen transparent: Dramen erzählen Geschichten, bedienen sich eines zuweilen kommentierenden Erzählers und präsentieren das Erleben einzelner Protagonisten.
Eike Munys Studie, die das aktuelle Forschungsspektrum der transgenerischen Narratologie vertieft, bildet eine Grundlagenarbeit zum Verständnis narrativer Kernfunktionen im Drama, vor allem des Erzählers und seiner perspektivischen Erzähloptionen. Die theoretischen Modellierungen zur Erzählperspektive reorganisieren und erweitern dramenspezifisch die überkommenen Analyseraster der Erzählforschung (insbesondere Gérard Genettes). Ihre Anwendbarkeit erproben sie am Fall dreier Dramentexte aus der deutschen Literatur nach 1945: Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür, Heiner Müllers Der Auftrag und Albert Ostermaiers Radio Noir.