Pflege hat in den vergangenen Jahrzehnten einen sicheren Platz in den Reihen der wissenschaftlichen Disziplinen erobert. Der Zuwachs an pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen führt dazu, dass pflegerisches Handeln nicht alleine mit persönlichen und institutionellen Erfahrungen, sondern gleichermaßen durch theoretisch/empirische Erkenntnisse aus der Forschung zu begrün-den ist. Für die Praxis der Pflege bedeutet dies die Zusammenführung von zwei sehr unterschiedlichen Formen des Wissens. Dabei geht es nicht um einen Wettstreit des besseren oder richtigen Wissens oder gar um Wahrheit, sondern um die Vermittlung von unterschiedlichen Erkenntnisse als gleichberechtigte Erkenntnisquellen. Im Modell der Verstehenden Diagnostik sind es Beschreibungen der ersten und der dritten Person, deren Verschiedenheit durch die Art der Gegebenheit bestimmt wird. Die Gegebenheit als Evidenz im eigentlichen Sinne wird geformt durch das Erleben und die Erfahrung auf dem Hintergrund einer individuellen Lebenswelt und eines professionellen und institutionellen Rahmens. In diesem Sinne stellt die Verstehenden Dia-gnostik hohe Anforderungen an die Pflege, da es sich dabei nicht um einen feststehenden Wert, ein standardisiertes Programm oder eine dem Lehrbuch entsprechende optimale Pflege handelt, sondern um das Ergebnis einer Vermittlung zur Herstellung eines Einverständnisses, d.h. eines Verständnisses aller Beteiligten über die Situation.