Psychotherapie und Seelsorge gehören seit der Antike zusammen. Das ist in Vergessenheit geraten und erst durch Freuds Wiederentdeckung des Unbewussten erneut sichtbar geworden. Die Seelsorge ist "die ältere Schwester der Psychotherapie" und pocht daher auf Tradition und längere Erfahrung. Der Psychotherapeut als "der jüngere Bruder des Seelsorgers" mag als "Liebkind der Neuzeit" seinen größeren Charme ins Treffen führen. Jedenfalls befinden sich beide seit der Geburt des jüngeren in einer gründlichen "Geschwisterrivalität". Die gegenseitig notwendige Abgrenzung gerät bis hin zur Ausgrenzung:

Bei aller notwendigen Unterscheidung von Psychotherapie und Seelsorge wird es Zeit, das Verbindende vor das Trennende zu stellen und das große gemeinsame Anliegen hervorzuheben. Das gerade in diesem Zusammenhang vielfach nicht beachtete und erstaunliche Interesse der Pioniere der Psychoanalyse an Religion bietet dazu eine bemerkenswert gute Grundlage.
Rund um Couch und Altar eröffnen sich in einem angstfreien Miteinander gegenseitig befruchtende Lebensfelder. Möglichkeiten tun sich auf, die im Lauf der Jahrhunderte in Vergessenheit geraten sind. Daran zu erinnern, und damit den Geist des Urchristentums wieder lebendig zu machen, wäre ein Liebesdienst, den die Psychotherapie der Seelsorge leisten könnte.