Dass der preußische Ministerpräsident und deutsche Reichskanzler im Kaiserreich die alleinige Verant-wor-tung für die Regierungspolitik besaß, ist bekannt. Wie er diese Gesamtleitung konkret ausübte, welchen Einfluss seine Mitarbeiter auf seine Politik hatten, wissen wir weit weniger genau. Der Fundamentalfrage: 'War Bismarcks Politik Bis-marcks Politik?' geht der von namhaften Bismarck-experten und einer Reihe jüngerer Wissenschaftler verfasste Band nach. Ihre Beiträge befreien Bismarcks Persönlichkeit aus der historischen Isolierung und liefern zahlreiche Anregungen für zukünftige For-schungen. Sie begnügen sich nicht damit, die Bio-graphien seiner Mitarbeiter nebeneinander zu stellen, sondern fragen in vergleichender Perspek-tive, welche Spezifika die Ministerialbeamten, Diplomaten und Publizisten aus Bismarcks Umfeld in Bezug auf Herkunft, Alter, soziologische Struktur und Werdegang besaßen. Dabei wird deutlich, dass die auf einem klar begrenzten Tätigkeitsfeld eingesetzten Mitarbeiter keine homogene Einheit bildeten. In der Außen-poli-tik, die der Kanzler als seine Domäne begriff, übten sie weit weniger Einfluss aus als in der Innenpolitik. Und auch dort gab Bismarck die Regierungsgeschäfte nie ganz aus den Händen, versuchte vielmehr seit Beginn der 1880er Jahre der Erosion seiner Machtstellung durch eine 'alternative Personalpolitik' (Lothar Gall) entgegenzuwirken.