Am beginnenden 21. Jahrhundert hat sich unter dem Stichwort des 'Ecocriticism' eine ökologisch orientierte Betrachtungsweise der Literatur entwickelt, die eine doppelte Produktivität zu entfalten verspricht. Einerseits öffnet sie die Literaturwissenschaft auf einen größeren, transdisziplinären Diskurszusammenhang über die Beziehung von Kultur und Natur, die in den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen von zunehmender Aktualität ist und die in literarischen Texten seit jeher in besonderer Komplexität und Intensität verhandelt wurde. Andererseits gewinnt dieser transdisziplinäre Zugang seine Bedeutung für die Literaturwissenschaft erst dadurch, dass er die Texte nicht einfach unter allgemeinere ökologische Themen und Prinzipien subsumiert, sondern vielmehr gerade die spezifischen, in der kulturellen Evolution herausgebildeten Formen und Funktionen literarischer Textualität in den Blick rückt. Für eine solche Integrationsleistung steht insbesondere der Dialog zwischen Literatur und Kulturökologie. In der Perspektive einer „Literatur als kultureller Ökologie“ wird der literarische Text als eine distinktive Form des Diskurses betrachtet, die gerade aufgrund ihrer ästhetisch-fiktionalen Transformation des Wirklichen ein besonderes Potential und eine besondere Funktion in der symbolischen Repräsentation der Kultur-Natur-Beziehung gewinnt. Der vorliegende Band macht es sich zur Aufgabe, das Spektrum der Aspekte, Fragestellungen und Anwendungsmöglichkeiten zu erforschen, das dieser kulturökologische Ansatz für die Literaturwissenschaft eröffnet, sowohl in seinen theoretischen Implikationen als auch anhand von Modellinterpretationen literarischer Texte. Die Beiträgerinnen und Beiträger haben alle Vorarbeiten auf diesem Gebiet aufzuweisen und kommen aus Deutschland, Polen, der Türkei und den USA.