Theodor Storms Novellen der 1870er und 1880er Jahre handeln von Menschen in einer Zeit der Krise und des Umbruchs zur Industriegesellschaft. Die ständisch-agrarische Ordnung weicht einer beschleunigten Welt, in der das Kapital den Ton angibt. Storms fernsichtige Diagnose dieser gründerzeitlichen Gesellschaft lässt schon die Ansätze heutiger Gesellschaftstrends erkennen. Die existenzielle Verunsicherung des Einzelnen in einer durch ökonomische Entwicklungen bestimmten Umwelt ist ein modernes Phänomen, das Storm bereits vor 130 Jahren in seinen Novellen zur Sprache brachte. Nathalie Klepper präsentiert Storms Novellen als Inspirationspunkte für aktuelle gesellschaftliche Debatten. Dabei verzichtet sie auf die eingefahrene literaturwissenschaftliche Perspektive. Mit ihrer umfassenden interdisziplinären Darstellung historisch-politischer, technisch-wissenschaftlicher und gesellschaftlich-weltanschaulicher Veränderungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist diese Analyse mit ihrem starken Verweischarakter wertvoll auch für Historiker, Politik- und Gesellschaftswissenschaftler und Philosophen, sowie für alle, die sich für Storm, den bürgerlichen Realismus und die deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert interessieren.