Getreu dem Ausspruch des Historikers Joachim C. Fest: 'Geschichte lebendig machen heißt, außer den Quellen auch etwas Eigenes hinzufügen', zeichnet Hans-Jürgen Ferdinand sein fantasievolles Bild von Karl dem Großen und der karolingischen Zeit. Die Handlung ist frei erfunden, aber in einen historischen Kontext gebettet, das bedeutet, gesicherte Quellen schaffen ein Grundgerüst für diesen Roman. Hier geht es nicht um eine Wiedergabe trockener geschichtlicher Fakten, vielmehr wird die Zeit Karls des Großen bunt ausgemalt mit all ihren geistigen, politischen und religiösen Auseinandersetzungen. Im Mittelpunkt steht Karl der Große als erster großer Visionär und Reformer des Mittelalters. Er führt in einem relativ kurzen Lebensabschnitt und lange genug vor der Kaiserkrönung anno 800 in Rom, nämlich von 787 bis 792, ehrgeizig und weitsichtig Reformen im politischen, wirtschaftlichen, theologischen, kulturellen und sozialen Lebensbereich durch, die letztlich seiner Machtsicherung und der Einheit vieler unterschiedlicher Völkerschaften zu einem homogenen Fränkischen Reich dienlich sein sollen. Dieses gigantische Reformvorhaben steuert kontinuierlich auf den Bau der Aachener Pfalz hin, die zum ständigen Regierungssitz Karls des Großen wird und über deren zahlreiche Baustellen Karl zum Ende des Romans hin stolziert. Dabei vermengen sich solche Reformbemühungen, die der Frankenkönig geschichtlich belegt auf den Weg gebracht hat, wie beispielsweise sein Capitular de villis, eine Anweisung zur optimalen Bewirtschaftung seiner Krongüter, mit solchen, die der Fantasie des Autors entsprungen sind. Ausgangspunkt dieser Reformen, die sich dann in etlichen Kapitularien, Dekreten und sonstigen königlichen Anordnungen manifestieren, ist das Vieraugengespräch zwischen Karl dem Großen und seinem Berater Paulus Diaconus. Der hochgebildete Mönch macht den König auf einen allumfassenden Reformbedarf aufmerksam. Dabei betont er die Notwendigkeit eines ständigen Regierungssitzes und führt dem Frankenherrscher eindrucksvoll vor Augen, dass sich ein so großes Reich nicht weiter vom Rücken eines Pferdes aus regieren lässt. Die Triebfeder zu diesem Roman ist für Hans-Jürgen Ferdinand die Frage gewesen: Hatte Karl die politische Kraft, mit einschneidenden Reformen eine Fränkische Reichsverfassung in Gang zu setzen und damit die Einheit des Fränkischen Reichs dauerhaft festzuschreiben, und wäre es Karl überhaupt möglich gewesen, die im Roman dargestellten Reformen letztlich auch gegen einen weltlichen und geistlichen Adel durchzusetzen? Mit solchen Was-Wäre-Wenn-Fragen darf sich ja ein Romancier zum Glück beschäftigen! Auch wenn das zum Teil schon fanatische Bestreben Karls des Großen, die Einheit des Fränkischen Reichs zu sichern und dauerhaft zu wahren, den eigentlichen Handlungsrahmen dieses Romans ausmacht, geht die Darstellung karolingischer Wirklichkeit weit darüber hinaus. Der Leser erfährt nicht nur von den beschwerlichen Reisen des Königs und seines Gefolges von einer Königspfalz zur anderen, immer dann, wenn alle Lebensmittelressourcen vor Ort aufgebraucht waren, oder den fast schon permanenten Kriegszügen der fränkischen Krieger, sei es, um Völker wie die Sachsen zu missionieren oder Angriffe der Awaren zu vergelten. Der Autor nimmt den Leser auch auf abenteuerliche Reisen mit, so zum Beispiel ins reiche Konstantinopel an den opulenten beziehungsweise dekadenten Hof von Kaiserin Irene. Im Vergleich dazu lebt der ?große? Frankenkönig geradezu ärmlich und bescheiden in seinen provisorischen Königspfalzen. Und nicht zuletzt die historisch überlieferte sexuelle Affinität Karls des Großen zum weiblichen Geschlecht drückt sich in vielen erotischen Zusammenkünften Karls mit seinen unterschiedlichen Gespielinnen aus. Entstanden ist ein pralles Sittengemälde über die Zeit König Karls, über seinen unbändigen Aufbruchgeist und die großen, ewig menschlichen Themen wie Machtbestreben, Intrige, Verrat, Ehebruch, zuweilen auch Inzest oder Mord.