Gegenstand der vorliegenden Studie ist die Migrantenliteratur der 1990er Jahre in Deutschland, die erstmalig am Beispiel zweier Autoren bulgarischer Herkunft, Ilija Trojanow und Rumjana Zacharieva, untersucht wird. Innovativ ist hierbei der kulturwissenschaftlich-literaturwissenschaftliche Zugang, der einer im Vergleich zu den 1980er Jahren veränderten Literatur und einem neuen Verständnis von Kultur, Migration und Identität in der heutigen Gesellschaft gerecht wird. Interkulturelle Identität wird in Anlehnung an das postkoloniale Hybriditätskonzept als eine „dritte“ Kultur modelliert, die sich im Zuge einer Verschmelzung von Herkunftskultur und zunächst fremder Kultur herausbildet, und die als solche in stetem Wandel begriffen und prinzipiell nicht abschließbar ist.
Die untersuchten Romane lassen zahlreiche interkulturelle Identitätsentwürfe sowie zwei aufschlussreiche Identitätsmodelle erkennen. Während Trojanows Protagonist Alex sich bei der Wiederbegegnung mit der bulgarischen Kultur zu einem Kosmopoliten entwickelt, erreicht Zacharievas Hauptfigur Mila einen Zustand der absoluten Freiheit – wenngleich um den Preis von ontologischer Fremdheit.