Als „Dialog mit den Toten“ wollte Heiner Müller seine Texte verstanden wissen. In Müllers Spätwerk ist dies vor allem auch ein Dialog mit den Autoren der römischen Antike: Vor dem Hintergrund der geopolitischen Veränderungen der Jahre 1989/90 bezeichnete Müller das Römische Reich als „Urzelle des Staats und seiner imperialen Struktur“.
Ghost/Writer untersucht diesen Zusammenhang von imperialer Macht, Literatur und Geschichtsschreibung. Die Arbeit analysiert, wie Müller die Toten der deutschen Geschichte mit den Toten weit entfernter römischer Epochen verbindet. Anhand von Autoren wie Tacitus, Horaz oder Polybios zielt Müller dabei auf grundsätzliche Fragen ab: Es geht um die Komplizenschaft der Künstler mit der Macht, die Kanonizität literarischer Werke und das Verhältnis revolutionärer Gruppen zum Staat. Dieses Verhältnis beschreibt der Dramatiker mit Foucault und Deleuze am Beispiel der Geschichte des Urchristentums. Müllers Auseinandersetzung mit der römischen Antike beruht auf einem epochenübergreifenden, universalhistoriographischen Blick, der die Zeitachsen aufhebt.