Die inszenierte Unter-Repräsentation der Anderen kann als ein grundlegendes Kennzeichen der Literatur gelten, die im Zuge der deutschen Kolonialbestrebungen in Afrika, der Südsee und China verfasst wurde. Die Kolonisatoren werden als individualisierte Figuren gezeichnet, während die Kolonisierten als amorphe Masse oder typisierte Vertreter eines Kollektivs erscheinen. Doch nicht nur das: Die Inszenierung der indigenen Bevölkerung als blass bleibender Hintergrund für die Problematiken deutscher Siedler, Missionare, Mediziner, Krankenschwestern und Soldaten setzt sich in zahlreichen Romanen, die nach dem Ende der deutschen Kolonialzeit entstanden sind, wie auch in Filmen und Fernsehformaten bis heute fort. Die Beiträge des Bandes fragen nach diesen Formen der Maskerade als komplexe Verfahren der Verbergung von Angst, Aggression und Begehren, um Aufschluss darüber zu gewinnen, mit welchen Strategien hegemoniale Positionierungen und damit einhergehende kulturelle Differenzzuschreibungen legitimiert wurden und weiterhin werden.
O. Gutjahr / S. Hermes: Maskeraden des (Post)
Kolonialismus. Einleitung – B. Kundrus: Spurensuche. Der deutsche Kolonialismus in kulturgeschichtlicher Perspektive – O. Gutjahr: Koloniale Interkulturalität. Vom ,Tropenkoller‘ und den Maskeraden der Fremdzuschreibung im Werk Frieda von Bülows – M. Brehl: ,Grenzläufer‘ und ,Mischlinge‘. Abgrenzung und Entgrenzung kollektiver Identitäten in der deutschen Kolonialliteratur – S. Benninghoff-Lühl: Die Masken des schwarz-weiß-roten Todes. Verlebendigungen in der frühen deutschen Kolonialliteratur und in Thomas Pynchons V. – A. Honold: Menschenfresser und Hungerkünstler. Schaustellungen des Fremden in der deutschen Kolonialzeit – K. R. Scherpe: Szenarien des Kolonialismus in den Medien des deutschen Kaiserreichs – A. Dunker: „Durch die Wüste undsoweiter“. Orient, Orientalismus und der deutsche Kolonialismus der Phantasie – C. Weller: Liebe und Arbeit. Zu Überfluss und Mangel im pazifischen Beziehungsgeflecht – Y. Lü: Authentizität und Maskerade. Erzählstrategien in China-Romanen Paul Lindenbergs – S. Hermes: ,Leere Räume‘ – ,treue Neger‘. Der literarische Kolonialrevanchismus in der Weimarer Republik und im ,Dritten Reich‘ (Hans Grimm, Adolf Kaempffer) – M. Holdenried: Neukartierungen deutscher Kolonialgebiete. Postkoloniale Schreibweisen in Uwe Timms Roman Morenga – H. Bay: Vom Waterberg nach Auschwitz? Kolonialkrieg in der Gegenwartsliteratur – W. Struck: Reenacting Colonialism. Die Wiederkehr des Kolonialismus als Melodram – E. Annuß: Für immer unser Afrika. Zur neokolonialen Modernisierung des deutschen Heimatfilms – Auswahlbibliographie: Forschungsarbeiten zur Geschichte, Kultur und Literatur des (deutschen) Kolonialismus – Zu den Autorinnen und Autoren