In der Chronik Thietmars von Merseburg fließen die Erfahrungen und Probleme des zehnten und frühen elften Jahrhunderts zusammen, sie werden in ihr aufgegriffen und zu einer Epoche geformt: Die „Zeit der sächsischen Kaiser“ – sie ist Thietmars historiographische Schöpfung. Periodisierung, aber auch zeitgenössische Hermeneutik und Kognitionsformen sind konstitutive Faktoren für die Entstehung historiographischer Nachrichten. In dieser Gesamtdeutung der Chronik des Merseburger Bischofs wird historisches Wissen konsequent als Produkt eines dynamischen Prozesses, als Wechselspiel kultureller und kognitiver Faktoren in einer je spezifischen historischen Situation verstanden. Auf der Basis dieses dynamischen Wissensbegriffs gelingt es, zentrale Episoden der ottonischen Geschichtsschreibung neu zu deuten und zugleich das Zukunftspotential von Vergangenheitsbildern aufscheinen zu lassen.