Die Untersuchung widmet sich der Fragestellung nach der Funktion der Reden im thukydideischen Geschichtswerk und deren Verhältnis zur Darstellung der historischen Fakten, exemplarisch durchgeführt anhand der Analyse des Prozesses der Kriegsentstehung, wie ihn Thukydides in den Reden des ersten Buches gestaltet. Dazu werden die vier Reden auf der Tagsatzung in Sparta, die Rede der Korinther bei der Abstimmung des peloponnesischen Bundes und die erste Periklesrede durch eine gründliche Erschließung der Gedankenführung und eine eingehende Betrachtung der sprachlich-stilistischen Gestaltung umfassend interpretiert. Ausgehend von der 1,23,4-6 getroffenen Differenzierung der Kriegsursachen in aitiai kai diaphorai und alethestate prophasis zeigt Martin Hagmaier auf, wie Thukydides die beiden kausalen Erklärungsmodelle in den Reden miteinander kombiniert, um in der Synthese der aitiologischen Faktoren eine letztgültige Deutung der Kriegsverursachung zu geben. Besonderes Interesse gilt dabei der literarischen Technik des Thukydides, die einzelnen Reden durch vielfältige Bezüge und Querverbindungen miteinander zu verflechten und so die vorgebrachten Standpunkte implizit zu kommentieren