Der Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert markiert auch den Übergang von einer von Zeitzeugen gespeisten Erinnerung zu organisierten und symbolischen Formen des »kulturellen Gedächtnisses«. Welche Erzählung vom kapitalen Zivilisationsbruch des vergangenen Jahrhunderts wird dabei an kommende Generationen weitergereicht? Die Virulenz der Polemiken um den »richtigen« Geschichtsdiskurs (Historikerstreit, Martin Walsers Paulskirchenrede etc.) belegt, dass die Debatte um die »narrative Identität« der Deutschen als Täter- und neuerdings wieder Opfervolk noch lange nicht abgeschlossen ist. Selten wird jedoch nach den spezifisch ästhetischen und poetischen Voraussetzungen des Erinnerns und Erzählens von Geschichte gefragt, vielmehr richtet sich das Augenmerk auf die moralische Perspektive des Autors. Am Beispiel von drei großen Geschichtserzählungen (Dieter Forte), Geschichtsinszenierungen (Walter Kempowski) und Geschichtsbefragungen (W.G. Sebald) geht Ritte der Frage nach, wie und ob sich heute noch die Geschichte der deutschen Katastrophe literarisch erzählen lässt, und entwickelt eine literarische Ästhetik des Erinnerns.