Das Werk bietet eine gute Übersicht über das vielschichtige Thema ‚Herder und Indien’. Der Aufklärer verbindet Indien mit verschiedenen Diskursen seiner Zeit (Anthropologie, Poetologie, Philosophie, Ursprung der Menschheit, Sprach-, Literaturgeschichte usw.). Die Kontrastierung des Eurozentrismus mit einer globalen Perspektive wird verstehbar als Reaktion auf die Graecomanie. Das Indien-Paradigma offenbart sich als Organ von Rationalismus-, Institutions-, Religionskritik.
Die Analyse zeigt u. a., wie der Inder (Ideen) zur zeitgenössischen Variante griechischer Kalokagathie wird. In ihm erscheint Winckelmanns ‚edle Einfalt‘ transformiert zum ‚sanften Gefühl‘, ‚stille Größe‘ zu ‚stiller Tiefe der Seele‘. Indien erstrahlt als laus loci extremi.
Das indische Drama Sakuntala veranlasst Herder (Zerstr. Blätter), Lessing erneut zu diskutieren. Auch wird seine Proklamierung des Begriffes Evolution berücksichtigt. Sein Palingenesie-Begriff wird analysiert. Seine programmatische Bearbeitung indischer Dichtung ist inspiriert vom Dichter Bhartrihari, der Fabelsammlung Hitopadesha und der philosophischen Bhagavadgita, deren Rezeption Herder damit vorbereitet.