Überlebende eines kleinen KZ - Außenlagers berichten über ihre Deportation. Beginnend von ihrer Verhaftung, den Transport in die Vernichtungslager, bis hin zum Todesmarsch, der letztendlich der Weg in die Freiheit wird. In Auschwitz müssen sie miterleben, wie ihre nächsten Angehörigen den Weg in die Gaskammer antreten. Sie selbst, fast noch Kinder oder Jugendliche, versuchen aus dem Umkreis der Kamine zu entkommen. Sie melden sich als ausgebildete Facharbeiter, geben falsche Geburtsdaten an und schaffen es, in eine kleine Rüstungsfabrik nach Niederorschel im Eichsfeld zu kommen. Hier müssen sie für die Junkerswerke Teile für Jagdflugzeuge herstellen und somit für die Verlängerung ihrer eigenen Gefangenschaft arbeiten. Obwohl die Organisation und die Strukturen hier genau so sind, wie in allen andreren Lagern auch, ist die Überlebensrate relativ hoch. Wer ist hierfür verantwortlich? Mithäftlinge und Zivilpersonen setzen ihr Leben für andere in aufs Spiel. Zum ihrem Glück dauert der Todesmarsch nach Buchenwald länger als vorgesehen.

Aus dem Vorwort

Geht man von der Beschreibung, was ein Buch eigentlich ist, aus, so stellt es zu einem Ganzen zusammengeheftete, bedruckte, beschriebene Blätter dar, die in einem Bucheinband eingebunden sind. Es ist bis heute ein wichtiger Träger der geistigen Kommunikation, des Austausches von Ideen und Informationen geblieben, trotz der Verbreitung von Rundfunk, Fernsehen und Datenverarbeitung.
Mit dem vorliegenden Buch ist nun etwas entstanden, was die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte aus der regionalen Sicht des Eichsfelds aufarbeitet.

Manch einer wird sich die Frage stellen, ob es historisch bedeutsam ist, ein Buch über das Außenkommando Niederorschel des KZ Buchenwald zu schreiben, in dem „nur" 19 Häftlinge an „normalen Lagerkrankheiten" verstorben sind.

Doch glaube ich, wenn wir über die Zeit des Nationalsozialismus sprechen und schreiben, galt und gilt noch der Satz von Berthold Brecht „dass man das tausendmal Gesagte noch einmal sagen muss, damit es nicht zu wenig sei". Fakten des Grauens, auch wenn sie im Vergleich zu Auschwitz und Buchenwald weniger umfangreich sind, sollen und müssen in Erinnerung bleiben, damit die Opfer nicht vergeblich waren.

Die Gemeinde Niederorschel und ich als Bürgermeister möchten diese Publikation als Teil der Auseinandersetzung mit der Geschichte betrachten. Es soll gleichzeitig ein „Lehrbuch" sein, das Vergangenheit mit Zukunft verbindet. Wir die Generation der Nachgeborenen, sollen und müssen Vergangenheit bewahren für die Zukunft.

Erinnerung darf nicht enden, sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Wer aber aus der Geschichte nichts lernen will, der neigt dazu, sie zu verharmlosen oder gar zu fälschen - der könnte am Ende sehr wohl verurteilt sein, diese Geschichte blindlings zu wiederholen.

Nur erinnern ist nicht genug!

Wir, die wir die Ereignisse auch im Außenkommando Niederorschel nicht unmittelbar erlebt haben, die Pflicht zu erinnern.
Möge dieses Buch ein Beitrag zur Erziehung zur Verantwortung für die Vergangenheit sein.

Hans Dannoritzer
Bürgermeister der Gemeinde Niederorschel

„Aus dem Umkreis der Kamine - Überlebende eines KZ-Außenkommandos berichten" von Wolfgang Große

„Die Kamine" - gemeint sind damit die Tag und Nacht rauchenden Schornsteine der Krematorien in den Konzentrationslagern, die Angst und Schrecken verbreiteten und Millionen Juden und Gegnern des NS-Regimes das Leben kosteten. Wer in ein Konzentrationslager oder ein Außenkommando kam, der hielt zunächst Ausschau nach den Kaminen. Wenn keine Asche in der Luft lag, machte sich bei den Neuankömmlingen ein wenig Erleichterung breit, da die Chance, das Martyrium zu überleben, stieg. Ein Außenkommando des bekannten KZ-Buchenwald war die Gemeinde Niederorschel, hier standen keine Schornsteine. Die Bedingungen galten selbst unter den Häftlingen als vergleichsweise erträglich. Die Gefangenen mussten in großen Hallen Flugzeugteile bauen und somit einen Beitrag zur Verlängerung des Krieges leisten, dessen Ende sie sehnsüchtig erwarteten.

Wolfgang Große lässt in seinem Buch vor allem zahlreiche Überlebende zu Wort kommen, verknüpft diese Aussagen und Berichte mit zeitgeschichtlichen Dokumenten und Daten, so dass ein umfassendes Bild der Vergangenheit im AK Niederorschel gezeigt wird. Dov Goldstein, Ivan Ivanji, Bertrand Herz, Georg Sterner, Hans-Günther Adler, Ervin Cserepfalvi und Simcha Bunem Unsdorfer sind nur einige Zeitzeugen, die ihr Erleben und ihre Erinnerungen in Worte fassen, die Fakten somit mit persönlichen Darstellungen greifbar und vorstellbar machen. Erst ihre Worte verdeutlichen die Lebensumstände im Lager, die Ängste und die unmenschlichen Bedingungen, die oftmals herrschten. Sie zeigen aber auch die Bedeutung der Religion, die vielen die Kraft verlieh, die Zeit durchzustehen. In den emotionalen Berichten wird zudem nicht ausgelassen, dass es Menschen gab, die sich ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben für die Häftlinge eingesetzt haben, wie der Kapo Otto Herrmann und der Schlossermeister Johannes Drößler.

Ergreifend und nahezu unfassbar sind insbesondere die Schilderungen des Todesmarsches nach Buchenwald und der Befreiung durch die Alliierten. Die Filmaufnahmen und Fotos von der Öffnung der KZs, die alle Schrecken an die Öffentlichkeit brachten, kennen fast alle. Die Berichte der Überlebenden zeigen die Tage bis zur Befreiung und den Weg in die Freiheit aus einer anderen, viel persönlicheren Perspektive: Unglaubliche Freude nach den unmenschlichen Strapazen, die Bedeutung des ersten jüdischen Gottesdienstes nach der Gefangenschaft, aber auch die Unsicherheit in Hinblick auf die Zukunft kommen zum Ausdruck.

Das Buch hat den Anspruch Beitrag wider das Vergessen sein, einem Anspruch, dem es auch dadurch gerecht wird, dass es zahlreiche Quellen mit einwebt und einen fundierten, gut verständlichen und interessanten Überblick über die Zeit im AK Niederorschel gibt.

Rosemarie Gerhardy

Aus dem Inhalt

Vorwort. 7
Einleitung. 9
Lager und Rüstungsbetrieb. 13
Die Häftlingstransporte. 20
Sklavenarbeit für die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke Dessau AG. 56
Kommandoführung und SS-Wachmannschaft. 71
Funktionshäftlinge. 78
Kapo Otto Herrmann. 79
Lebensbedingungen. 86
Unterkunft. 86
Ernährung. 89
Lagergeld. 94
Häftlingsrevier. 95
Häftlingspost. 100
Widerstand. 106
Sabotage. 106
Der „religiöse Tisch". 109
Die Solidarität der Zivilbevölkerung. 114
SS. 124
Flüchtige. 125
Überstellung nach Langenstein-Zwieberge. 128
Die Toten im Kommando Niederorschel. 132
Totenverzeichnis. 136
Evakuierung und Befreiung. 141
Todesmarsch. 143
Befreiung in Buchenwald. 169
Johannes Drößler und seine Rettungstat. 179
Überlebende. 188
Gedenken. 209
Nachweise. 217
Abkürzungen. 217
Quellen- und Literaturverzeichnis. 218
Personenregister. 220
Dank. 223