Ein idyllisch gelegenes Dorf in Frankreich wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg: Die kleine Anna läuft über den Marktplatz. Da stolpert sie Matté in die Arme, dem Dorfnarr, der sie mit bohrenden Augen anstarrt. Die anderen Kinder im Dorf lieben ihn, doch für Anna ist er ein Graus, denn nur ihr und ihren Geschwistern gelten die bösen Worte, die aus Matté herausbrechen: »Deutsche Schweine!«

Ein bizarres Besiedlungsprogramm hatte Annas Familie, ursprünglich aus Posen stammende Bauern, dazu gebracht, sich ausgerechnet in Frankreich anzusiedeln. Die Eltern hatten alles verloren: Der Vater war verwundet von der Front zurückgekommen, der Mutter hatten sich die Bombennächte in die Seele gebrannt. Auf einem verlassenen Bauernhof in der Dauphiné versuchten sie nun einen Neuanfang. Deutsche Vertriebene, verschlagen in jene Gegend, in der die deutschen Besatzer noch vor Kurzem bestialisch gewütet hatten.

In literarischen Puzzle-Stücken erzählt Anna Tüne die Geschichte einer höchst ungewöhnlichen Integration. Sie erzählt von der Zerrissenheit, mit der sich die französische Dorfbevölkerung auf die deutsche Familie zubewegte: die tiefe Abneigung der Gemeinde – und deren Ergriffenheit angesichts des melancholischen Gesangs der Mutter beim ersten Kirchgang. Die unauslöschbaren Erinnerungen an die von der SS zu Tode Gefolterten – und die vollkommene Unschuld der deutschen Kinder. Der Verrat durch Kollaborateure – und das Wissen über deutsche Kameraden in der Résistance.

Mit Poesie und schonungsloser Ehrlichkeit entwirft Anna Tüne ein spannendes und höchst komplexes Bild über den Umgang von Deutschen und Franzosen, von Opfern und Tätern, von Schuldigen und Unschuldigen nach dem Krieg. Vor allem aber erzählt sie die berührende Geschichte einer Kindheit, die vom Zauber der Welt erfasst war und über die sich das Erbe der Herkunft bisweilen wie ein dunkler Schatten legte.