„Größter Sohn des deutschen Böhmerwaldes“ und moderner Schriftsteller von weltliterarischer Bedeutung: Die Adalbert Stifter-Rezeption im Böhmen des frühen 20. Jahrhunderts bewegte sich im Spannungsfeld von nationalistisch-kulturkonservativer Vereinnahmung und textkritisch-philologischer Erforschung. Federführend wirkte dabei der Literaturwissenschaftler und Kulturpolitiker August Sauer (1855–1926), Nestor der Prager Germanistik, Repräsentant des deutschsprachigen Kulturlebens in Prag und Initiator der ab 1904 erscheinenden ersten kritischen Gesamtausgabe der Werke Stifters.
Karoline Riener untersucht die vielfältigen Bemühungen August Sauers um Adalbert Stifter und thematisiert gleichzeitig die damit verknüpften zeitgenössischen kulturellen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskussionen in Böhmen, Österreich und Deutschland. Hierzu gehört etwa die 1891 im Kontext nationaler und kultureller Konflikte zwischen Deutschen und Tschechen erfolgte Gründung der „Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen“.
Selbstverständnis und Methoden der Germanistik in Deutschland und Österreich-Ungarn nach 1870 werden im Zusammenhang mit der ersten kritischen Stifter-Werkedition erörtert.
Eine Darstellung der Aktivitäten zum 100. Geburtstag Stifters im Jahr 1905 und eine Analyse ausgewählter Denkmals- und Dichterreden schließen die umfassende Untersuchung ab.