In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die deutsche Literatur eine beispiellose Konjunktur der Beschäftigung mit der nationalsozialistischen Geschichte erlebt. Selten waren Romane gesellschaftlich so präsent. Sie losen Debatten aus, spiegeln die erneute Hinwendung zum „deutschen Leid“ – belegen aber auch eine zunehmende Integration der NS-Zeit in das Selbstbild der Deutschen. Zu den Täter- und Schuldkonstellationen in dieser Literatur ist bereits umfänglich geforscht worden; diese Studie nun ruckt für ein breites Spektrum an Prosawerken – 16 Romane und Novellen – erstmals die Erzählformen in den Fokus. Dabei geht es um den vergangenheitspolitischen Gehalt der Formen selbst: Sie leisten Historisierung, kritische Erinnerung oder eine Live-Übertragung aus der Geschichte. Stets zielt die Darstellung der Vergangenheit auf eine tiefere Reflexion der Gegenwart. Und mit dem Ende der Zeitzeugenschaft kommen neue literarische Muster der Spurensuche und Imagination des Historischen auf.

Die Studie erschließt die Anwendbarkeit jüngerer Gedächtnistheorien für die erzähltheoretische Untersuchung und gibt einen Überblick zu aktuellen Schreibweisen der deutschen Literatur bis ins Jahr 2008. Zu den untersuchten Autoren gehören Marcel Beyer, Katharina Hacker, Ulla Hahn, Thomas Lehr, Monika Maron, Bernhard Schlink, W.G. Sebald und Uwe Timm.