Robert Walsers Texte sind durch die Dominanz poetologischer Reflexionen und selbstreferentieller Bezuge geprägt. Gleichzeitig tritt aber das Motiv>Liebe< fortwahrend in unterschiedlichen Figurationen und Konstellationen auf. Das Besondere dieser beiden Gegebenheiten ist ihre wechselseitige Beziehung, da die Reflexionen über den Liebesdiskurs in unmittelbarer Nähe zu Fragen der poetologischen Gestaltung stehen. Wenn Walsers Texte über Liebe sprechen, sprechen sie gleichzeitig über ihre eigenen Verfahren und Formen der Darstellung.

Um diese spezifischen Korrespondenzen aufzuzeigen, wurde die Poetik der Umschreibung als Beschreibungskategorie für Walsers Textverfahren und seine Literaturkonzeption herausgearbeitet. Die Umschreibung – als Aufschub und als Abweichung – erweist sich dabei als erotisches Verfahren schlechthin. Anhand der Analyse von ausgewählten Prosastucken, den frühen Dramoletten und dem Räüber- Roman stellt Jens Hobus die zentralen Punkte von Walsers Liebessemantik heraus und zeigt, wie die Liebeserfahrung bei Walser zu einem ästhetischen Phänomen avanciert, das sich primär durch die Aktivierung der Imaginationstätigkeit auszeichnet. Das Begehren nach der Frau wird auf den Schreibprozess selbst übertragen und zur literarischen Produktion genutzt, so dass die Liebeserfahrung ihre Erfüllung im ästhetischen Selbstgenuss findet.