Die 1929 von Siegfried Schott publizierten „Urkunden mythologischen Inhalts (Urk. VI)“ enthalten zwei Rituale des abydenischen Osiriskults, die der Abwehr von Feinden dienen sollten. Die Rituale sind auf zwei Totenpapyri, dem pLouvre N 3129 (4.–3. Jahrhundert v. Chr.) und dem pBM 10252 (307/306 v. Chr.), erhalten. In beiden Bücher sind mehrere Passagen enthalten, die Seth lange Reihen von Verbrechen zur Last legen. Eine Aufzählung derartiger Kultfrevel ist in diesem Ausmaß neben den Urk. VI nicht bekannt. Wenngleich die Urk. VI häufig zur Kommentierung anderer religiöser Quellen herangezogen wurden, sind weder der gesamte Text noch die Frevel bislang detaillierter analysiert worden.
Seths Untaten wurden von Victoria Altmann transkribiert, neu übersetzt und ausführlich kommentiert. Hierfür wurden sie nach inhaltlichen Gesichtspunkten in 106 Frevel unterteilt, die in der Vielschichtigkeit der behandelten Themen ein weites Feld philologischer und kulturhistorischer Deutungen öffnen. Jeder Frevel wurde separat nach mythologischen und kulttopographischen Gesichtspunkten eingeordnet und interpretiert.
Nicht in allen Fällen ist das Vorbild oder der inhaltliche Kontext der Sakrilege eindeutig zu deuten und zu ergründen. Meist verbirgt sich jedoch auch in zunächst unverständlichen Aussagen ein Bezug auf bekannte lokale oder gesamtägyptische Mythen, Orte oder Gottheiten. Aufgrund der Themenvielfalt, der Anspielungen und inhaltlichen Beziehungen liefert Altmanns Untersuchung eine Vielzahl von Hinweisen, die dem besseren Verständnis der in den Urk. VI, aber auch in anderen altägyptischen Mythen und Legenden geschilderten Ereignisse dienen.