Dieser Beitrag will keine schnellen Antworten auf die Frage geben, wie mit sexueller Gewalt in Institutionen umgegangen oder wie sie verhindert werden kann. Gewalt in Institutionen, aber auch ihre Sanktion, ist kein neues Phänomen, sondern hat eine Jahrhunderte lange Geschichte. In einem ersten Punkt widmet sich der Beitrag daher dem Hintergrund der Machtdiskurse, die – vor allem im katholischen Kirchenrecht – zum Thema Sexualität geführt worden sind. Daraus stellt sich in einem zweiten Punkt die Frage, welche Funktion Sexualität in der heutigen Gesellschaft spielt und wie sich die Institutionen, in denen Kinder aufwachsen, dazu verhalten. In welchem Maße sind unsere heutigen Erwartungen von den kul-turhistorischen Debatten geprägt worden? Wie hängen Leistungsansprüche in Eliteinternaten und psychosexuelle Sozialisation zusammen? Wie kommt es, daß in jüngster Zeit die Diskussion um sexuelle Gewalt wieder aufgeflammt ist, obwohl die betreffenden Tatbestände bereits seit Jahren bekannt sind? Inwieweit läßt sich der Kinderschutz instrumentalisieren, um ganz andere politische Forderungen wie zur Abschaffung des Zölibats oder der reformpädagogischen Ansätze weiterzutreiben? Ohne diese Fragen aufzuwerfen, würde sich Kinderschutz im bloß technischen Umsetzen von Präventionsprogrammen und Risikominimierungsschaltplänen erschöpfen. Für einen substantiellen Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt in Institutionen kommt es vielmehr darauf an, so das Plädoyer des Beitrags, eine hinreichend lebendige Kommunikation zu Themen der Sexualität zu kultivieren, ohne daß es einerseits zu einer Sexualisierung der kindlichen Lebensbereiche kommt noch zu einer Vermei-dung oder sogar Unterdrückung des „heiklen“ Themas.