Über die Herausbildung der »Fallgeschichte« im Kontext der ersten deutschsprachigen psychologischen Zeitschrift.

Das »Magazin zur Erfahrungsseelenkunde« (1783-1793), von Karl Philipp Moritz, Karl Friedrich Pockels und Salomon Maimon herausgegeben, war das erste psychologische Journal in Deutschland. Es versammelte Beobachtungen von Wahnsinn und Mord, seelischen Störungen und abweichendem Sozialverhalten. Diese überwiegend von Ärzten, Juristen und Theologen, aber auch von Laien protokollierten Pathographien trugen zur Psychologisierung der Literatur um 1800 bei und avancierten zu Musterfällen innerhalb der sich formierenden Psychiatrie. Die Beiträge erörtern die Reichweite und Grenzen des modernen Begriffs der »Fallgeschichte« aus epistemologischer, literarhistorischer und quellenkundlicher Perspektive.

Inhalt:
Nicolas Pethes: Ästhetik des Falls. Zur Konvergenz anthropologischer und literarischer Theorien der Gattung
Stefan Goldmann: Kasus - Krankengeschichte - Novelle
Robert Leventhal: Die Fallgeschichte zwischen Ästhetik und Therapeutik
Christof Wingertszahn: Die Fallgeschichte als Denkwürdigkeit. Kleptomanie im Diskurs der Erfahrungsseelenkunde
Volker Hess: Das Material einer guten Geschichte. Register, Reglements und Formulare
Yvonne Wübben: Vom Gutachten zum Fall. Die Ordnung des Wissens in Karl Philipp Moritz` Magazin zur Erfahrungsseelenkunde
Peter Sindlinger: »Individuelle Erfahrungen von einzelnen Subjecten aufsuchen«. Zu den Fallgeschichten Immanuel David Maucharts aus Tübingen
Joachim Gessinger: Sprachkrankheiten. Moses Mendelssohns Analyse einer Sprachstörung Johann Joachim Spaldings
Johanna Geyer-Kordesch: Spiritual Narrative and the Magazin zur Erfahrungsseelenkunde: Context and Controversy
Neil Vickers: Samuel Taylor Coleridge and the Dissemination of Moritz’s Ideas in England
Sheila Dickson: Die internationale Rezeption der Fallgeschichten im Magazin zur Erfahrungsseelenkunde