Eine Forderung interkultureller Philosophie ist die Öffnung des Vernunftbegriffs für eine religiöse bzw. spirituelle Dimension. Diese Arbeit reagiert darauf und entwickelt philosophisch die Relevanz von mystischer Einheitserfahrung für die ontologische Fundierung von Ethik. Sie zeigt auf, wie die Entfaltung des Seins aus einem prä-ontologischen Grund logisch auf eine Theorie und Praxis der Einheit verweist. Ist alles Seiende in der Einfachheit des Urgrunds (dem Einen bei Plotin, Gott bei Ghazali) aufgehoben, ist es als differenziertes Einzelnes Zeichen dieser Verursachung. Dieser Verweis versetzt die Wahrheit in den absoluten Quell des Seins und orientiert philosophisches Verstehen an diesem. Damit der Mensch die Wahrheit erreicht, muß er seine Vernunft von den Schleiern des vergänglichen Scheins reinigen. Der erkennende Aufstieg zur Einheit gipfelt in der immanenten Gewißheit des Erschaffenden in der eigenen Seele des nach Wahrheit Strebenden. Ethisch fordert die Einheit und Gleichheit alles Seienden im transzendenten Seinsgrund Gerechtigkeit als höchsten Handlungsimperativ. Die liebende Zuwendung zum Nächsten, der Abstieg in die Welt, vollendet erst die Einheit, die alles Lebendige wesentlich beschreibt.

Die Autorin
Ilona Kock, geboren 1983, arbeitet derzeit an einem Dissertationsprojekt, welches den Neoplatonismus in christlicher und islamischer mystischer Philosophie zum Gegenstand interkultureller und –religiöser Aufarbeitung hat.