Vor rund 1700 Jahren soll eine ganze römische Legion Soldaten beim heutigen Saint- Maurice – das nach dem Kommandanten Mauritius benannt ist – für ihre christliche Überzeugung getötet worden sein. Diese Legende ist im ausgehenden 4. Jahrhundert entstanden. Heilige der Thebäischen Legion sind Patrone zahlreicher Kirchen und Städte. Historisch gesehen zeugt die Legende unter anderem von der Ausbreitung des Christentums, des Mönchtums sowie der in der Spätantike einsetzenden christlichen Bautätigkeit. Die Kultur der Märtyrerverehrung hat während vielen Jahrhunderten kollektive Sinnstiftung geleistet und tut es noch immer: Geschichtliche Kontingenzen und ihre emotionalen Auswirkungen werden dabei auf ein die Zeiten überdauerndes Netzwerk von Orten und Erzählungen bezogen: ein ritualisiertes Tun, das sowohl religiöse und wissenschaftliche wie ebenso allgemein geläufige kulturelle Praktiken und Techniken anwendet. Was Macht und Ohnmacht der Märtyrer ausmacht, kommt dadurch in erstaunlich stabilen Formen immer wieder neu zur Wirkung.