Anfang Dezember 1801 machte sich Friedrich Hölderlin von Nürtingen auf nach Bordeaux. Ihn trieb, wie er schrieb, „die Herzens- und die Nahrungsnot“. In Frankreich hoffte er endlich die Existenz aufbauen zu können, die ihm zu Hause immer versagt geblieben war. Die Winterreise sollte zum endgültigen Wendepunkt in seinem Leben und Schreiben werden: Das Vorhaben lässt sich gut an. Er wird freundlich empfangen und wohnt „fast zu herrlich“. Doch schon nach wenigen Wochen lässt er sich wieder einen Pass ausstellen und kehrt zurück. Sein Zustand ist trostlos. Die Freunde in Stuttgart erkennen ihn schier nicht wieder. Er ist vollkommen erschöpft und erregt zugleich, „leichenblaß, abgemagert, von hohlem wildem Auge, langem Haar und Bart, und gekleidet wie ein Bettler.“ Was bloß war geschehen?

Anfang Dezember 2007 folgt Thomas Knubben der Route Hölderlins. Von Nürtingen aus wandert er über die Alb, den Schwarzwald, über Straßburg, Lyon und die Auvergne nach Bordeaux. Er unternimmt eine poetische Wanderung. Er will wissen, ob auf diese Weise Neues zu erfahren ist über Hölderlins „fatale Reise“. Und ob es gelingen kann, den in den Dichterolymp Entschwundenen, zu seinen Lebzeiten durchaus politischen Poeten wieder ein Stück weit zurückholen in den Erfahrungshorizont der Gegenwart, ihn begreifbar zu machen in seiner alltäglichen poetischen Potenz.

„Erwandert“, entstanden ist so ein Buch, das zwischen der Winterreise Hölderlins und der eigenen Winterwanderung oszilliert und dabei auch die Kulturgeschichte der vielen anderen Winterreisen von Wilhelm Müller und Franz Schubert über Johann Georg Seume bis hin in die Gegenwart zu Werner Herzog und Richard Long einbezieht und so ein faszinierendes Panorama der Welterfahrung im Gehen schafft.