Jean Genet und Deutschland – das ist eine Beziehung der wechselseitigen Stimulation. So sehr der Autor von Deutschland angezogen und abgestoßen wurde, so sehr hat er hierzulande fasziniert und Schockwellen ausgelöst. Eine Reise durch das „Dritte Reich“ bildet ein Schlüsselerlebnis in Genets Leben und Werk. Der Hamburger Zensurprozess um den Roman Notre-Dame-des-Fleurs veränderte die deutsche Rechtsprechung zur Kunst. Der im „Deutschen Herbst“ 1977 veröffentlichte RAF-Aufsatz Violence et brutalité führte zu diplomatischen Verwicklungen. Vor allem im deutschen Theater fand Genet immer wieder einen Ort, an dem seine Werke wirken konnten, während sie andernorts von Tabugrenzen umstellt waren.

Dieser Band dokumentiert ein interdisziplinäres Symposium an der Freien Universität Berlin, zu dem die Germanisten Oliver Lubrich und Matthias N. Lorenz anlässlich des 100. Geburtstages von Jean Genet eingeladen hatten. Die Beiträge zeigen, wie Jean Genets radikale Poetik und politische Haltung in der Auseinandersetzung mit Deutschland besonders deutlich werden. Künstlerische Perspektiven eröffnen die Zeugnisse deutschsprachiger Schriftsteller und Filmemacher wie Josef Winkler, Belmen O und Rosa von Praunheim.