Wie kaum ein zweiter Autor hat Friedrich Dürrenmatt das Theater der fünfziger und sechziger Jahre im deutschsprachigen wie im europäischen Raum beherrscht. Er erlangte einen bald schon kanonisierten Status in der literarischen Öffentlichkeit, der durch zahlreiche Literaturpreise, Ehrendoktorwürden und eine Werkausgabe gefestigt wurde.


Der neunzigste Geburtstag des 1990 verstorbenen Autors, der im Jahre 2011 begangen wird, schien ein geeigneter Anlass, um in der Distanz von zwanzig Jahren nach diesem Zusammenhang zwischen kritischer Abgrenzung von der Überlieferung und kritischer Einschreibung in die Überlieferung in seinem Werk zu fragen.


Literaturwissenschaftler aus der Schweiz, Großbritannien, Deutschland und Frankreich thematisieren in ihren Beiträgen Dürrenmatts Verhältnis zur europäischen Ideengeschichte, zur Antike, zu Shakespeare, zu Cervantes, zur deutschsprachigen Literatur zwischen Aufklärung und Vormärz sowie seinen Platz in der Literatur nach 1945. Sie zeigen, wie es Dürrenmatt gelungen ist, die Tradition durch kritische Lektüre für seine Zeit zu reaktivieren und wie er bis in die späte Prosa darum gerungen hat, das kritisch reflektierende Individuum in seinem autonomen Freiheitsrecht der Deutung zu bestärken.