Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist seit mehr als 50
Jahren Anlaufstelle für Rechtssuchende, die sich in ihren Grundrechten
verletzt fühlen. Anfangs ein eher selten bemühtes Organ für hauptsächlich
westeuropäische Staaten, dessen Richter nur nebenamtlich tätig
waren, hat sich der Gerichtshof nach der politischen Wende in Europa
und nach seiner grundlegenden Reform im Jahre 1998 zu einer für ganz
Europa operierenden Rechtsprechungsinstanz mit großer Akzeptanz
entwickelt. Er gilt in der ganzen Welt als Vorbild; seine Leistung für die
Menschenrechtslage und die Rechtsstaatlichkeit im alten und im neuen
Europa ist kaum zu überschätzen. Mit derzeit mehr als 50.000 Grundrechtsbeschwerden,
die jährlich neu bei ihm einlangen, ist der Gerichtshof
allerdings an die Grenzen seiner Kapazität gelangt und droht ihm
nun, „zum Opfer seines Erfolgs“ zu werden. Die Arbeitsbelastung des
Gerichtshofs ist unzumutbar, seine Verfahren dauern daher vielfach zu
lange und seine Entscheidungen kommen oftmals zu spät. Eine abermalige,
grundlegende Reform scheint daher unausweichlich.
Luzius Wildhaber war Professor in Basel und anerkannter Rechtswissenschaftler,
als er 1991 in den Gerichtshof eintrat. Er führte den neuen
Gerichtshof von 1998 bis 2007 als Präsident und ist mit dessen Aufgaben
und Problemen bestens vertraut. Sein am 3. Dezember 2010 in Salzburg
in der Reihe der „Straniak-Vorlesungen“ gehaltener Vortrag enthält
nicht nur einen Lagebericht, sondern auch richtungsweisende Kritik. Er
wird hiemit als Band 4 der Schriftenreihe menschenrechte konkret
des Instituts einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im Band
enthalten sind auch Angaben zum Vortragenden, die Erklärung von Interlaken
(2010) zur Reform des Gerichtshofs im Originaltext, Auszüge aus
den Konventionstexten sowie Informationen über das Institut und seine
Vortragsreihe.