Kaiser Wilhelm II. in den Fängen unverantwortlicher Berater?
Kaiser Wilhelm II. (1888–1918) war der Herr über alle Karrieren und Lebensentwürfe in Regierung, Verwaltung und erst recht im militärischen Bereich. Er war – nach Bismarcks Abgang im März 1890 – jung und manipulierbar. Die Manipulierbarkeit des unreifen Herrschers, der die Unreife bis zu seiner durch die Kriegsereignisse erzwungen Abdankung im November 1918 eigentlich nie abgelegt hat, bildete die Basis für erstaunliche wilhelminische Karrieren. Die Erringung der kaiserlichen Gunst war somit der Dreh- und Angelpunkt allen machtpolitischen Agierens. Um in diesem System aufzusteigen, musste man die Kunst des geräuschlosen Intrigierens beherrschen, die Nähe des Monarchen suchen und sich diesem gegenüber als faszinierender Unterhaltungskünstler profilieren. Die wilhelminischen Protagonisten, die Fürsten Bernhard v. Bülow (1849–1929) und Philipp zu Eulenburg-Hertefeld (1847–1921), erfüllten diese Voraussetzungen par excellence. Beide waren im Grunde keine Staatsmänner, sondern betrieben Politik eher im Nebengeschäft – was sich für das Hohenzollernreich als verhängnisvoll erweisen sollte. Es hängt zweifellos mit der Persönlichkeit des letzten deutschen Kaisers zusammen, wenn sich damals das Intrigantentum zu ungeahnter Blüte entfaltete. War es ein Zufall, dass sich unter den erfolgreichen Entertainern und Politstrategen am Kaiserhof viele Homosexuelle befanden (die dies damals aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse geheimhalten mussten und, sobald es Mitwisser gab, erpressbar wurden)?
Auf diese und andere Fragenm die in der Historiographie bisher wenig Beachtung gefunden haben, sucht der Autor wissenschaftliche fundierte Antworten zu geben. Dabei ergeben sich vor allem dadurch, dass die Männer im unmittelbaren Umfeld des Reichskanzlers Bülow gezielt ins Blickfeld genommen werden, überraschend neue Erkenntnisse.