Während Anthropologie als 'die Lehre bzw. Wissenschaft vom Menschen' hinlänglich bekannt ist und die Biologische wie die Historische Anthropologie Unterdisziplinen bilden, so ist sie im Zusammenhang mit dem Adjektiv 'biohistorisch' weniger bekannt. Anthropologinnen und Anthropologen sprechen von biohistorischen Quellen, Urkunden, Überresten, Sammlungen, Prozessen und Methoden. Es handelt sich um jene interdisziplinäre Forschungsformation, die evolutionäre Prozesse anhand von Körperteilen, die gesammelt und methodisch ausgewertet werden, zu rekonstruieren sucht. Die Beiträge in diesem Band befassen sich aus historischen, wissenschaftshistorischen und kulturanthropologischen Perspektiven mit der Geschichte und Gegenwart solcher Ansätze. Mit dem Begriff der biohistorischen Anthropologie werden dabei auch Resonanzen im kultur- und geisteswissenschaftlichen Raum erzeugt. Damit verbunden sind Fragen wie: ›Was ist Geschichte und wem gehört sie?‹ Als wissenschaftliche Objekte, Geschichtsmedien und mitunter öffentliche Ikonen sind Moleküle wie DNA, fossile und rezente Knochen sowie tote Körper involviert in Prozesse der Aushandlung von Eigenem und Fremdem, von Gerechtigkeit und Wiedergutmachung sowie von Ansprüchen unterschiedlicher Wissensgemeinschaften. – Mit Beiträgen von Marianne Sommer/Gesine Krüger, Yulia Egorova, Alondra Nelson, David Hesse, Gísli Pálsson/Sigurður Örn Guðbjörnsson, Oliver Hochadel, Ciraj Rassool und Joost Fontein