In den letzten Jahrzehnten hat in der Psychologie eine Neuentdeckung des Forschungsbereichs Emotion stattgefunden. Wurden die Gefühle über lange Zeit hinweg eher als lästiges Beiwerk der menschlichen Psyche empfunden, wird dem Gefühlsleben heute zunehmend eine eigene positive Qualität zugestanden. Diese Neubewertung eröffnet die Chance, auch alte Gefühlstheorien der Psychologie selbst wie auch Emotionstheorien aus anderen Forschungsgebieten der Gesellschafts- und / oder Kulturwissenschaften mit anderen Augen zu sehen.

Speziell für das Selbstverständnis des Fachs Religionswissenschaft ergeben sich dadurch neue Betrachtungsmöglichkeiten auf die eigene Forschungstradition. Das wohl bekannteste Modell zum religiösen Wirken der Gefühle entwirft der lutherische Religionsphilosoph Rudolf Otto. Seinen Ansatz des Numinosen vor dem Hintergrund der Wiederentdeckung der Gefühle mit den klassischen Emotionstheorien von Charles Darwin, Wilhelm Wundt, William James und William McDougall in Bezug zu setzen, dabei Parallelen und Beeinflussungen zu erkennen und durch diese Betrachtungen Anregungen zu geben, Ottos Ansatz nicht nur als überkommene Theorie, sondern als Möglichkeit für eine Neuentdeckung des Bereichs Emotionen in der Religionswissenschaft zu sehen, dazu möchte diese Arbeit einen Beitrag leisten.