Am 4. Juli 1938 werden die 1921 geborenen Zwillingsschwestern Ilse und Helga Aichinger voneinander getrennt. Helga entkommt der Bedrohung durch die Nationalsozialisten mit einem der letzten Kindertransporte nach England. Ilse bleibt mit ihren jüdischen Verwandten in Wien zurück. Während Helga im Kreis des Austrian Centre in London das ‚bittere Brot des Exils‘ kostet, heiratet und eine Tochter zur Welt bringt, muß Ilse die Deportation ihrer nächsten Angehörigen miterleben. Nach Kriegsende ist es auf beiden Seiten das erste Ziel der Überlebenden, wieder zueinander zu kommen. England wird zu einem der wichtigsten Bezugspunkte von Ilse Aichingers Schreiben.
Anlässlich des 90. Geburtstages der beiden Schwestern wurden die vielfältigen Dimensionen von Aichingers Beziehung zu England im Rahmen einer im März 2011 im Austrian Cultural Forum in London durchgeführten Tagung erstmals im Zusammenhang diskutiert. Die Beiträge bieten Einblicke in die noch unpublizierte Korrespondenz der beiden Schwestern während der Zeit der Trennung, Untersuchungen der vielfältigen Englandbezüge in Aichingers Texten und der produktiven Wechselbeziehungen im künstlerischen Schaffen beider Schwestern, sowie Analysen zu ausgewählten Übersetzungen von Texten Ilse Aichingers ins Englische. Am Beginn steht eine von Aichingers Nichte Ruth Rix aufgezeichnete persönliche Erinnerung an die frühe Nachkriegszeit und die erste Wiederbegegnung der Familie in England.