Der vorliegende Band widmet sich erstmalig und grundlegend aus interdisziplinärer Perspektive der Dynamik, Manifestation und Variation von Formelhaftigkeit und untersucht ihre Bild-Text-Dimension. Ausgehend von den Fächern Germanistik (Sprachwissenschaft) und Kunstgeschichte vereint der Band Beiträge aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen (u.a. auch der Anglistik, Theaterwissenschaften, Judaistik, Korpus- und Computerlinguistik).
Formelhaftigkeit ist ein Grundkonstituens der sprachlichen und visuellen Repräsentation von historischem und gegenwärtigem Weltwissen. Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit war sie ein wesentliches Element der verbalen und visuellen Kommunikation. Im Bereich der Sprache kam sie vor allem mit Hilfe der syntaktisch, semantisch und pragmatisch mehr oder weniger fest werdenden bzw. gewordenen Wendungen oder Texte zustande. Im Mittelpunkt der linguistisch orientierten Beiträge stehen historische und gegenwärtige Texte der unterschiedlichsten Gattungen (literarische Werke, Geschäftsprosa, lexikographische und grammatikographische Werke u.a.).
Für die Kunstgeschichte steht die Formelhaftikeit - bislang pauschalisierend als „Sprichwortbilder“ bezeichnet - in Visualisierungen unterschiedlichster Struktur (u.a. Emblematik, Einblattholzschnitte, Buchillustrationen) des deutschen, englischen, niederländischen und französischen Raumes im Zentrum der Analyse. Zu den wichtigsten künstlerischen Gattungen zählen Tapisserien, Gemälde, die Druckgraphik und der große Bereich des Kunsthandwerks. Das Spektrum der kunstwissenschaftlichen Beiträge lässt sich deshalb von mittelalterlichen und (früh-)neuzeitlicher Kunst durch diese vielfältigen Gattungen ziehen. Die formelhafte Wendung kann das Hauptthema des Bildes ausmachen oder aber ein „Rätselbild“ lösen helfen.
Sprachliche und visuelle Medien stellen zweifelsohne eine herausragende kulturelle Kommunikationspraktik mit besonderem Status dar. Sie gestalten gemeinsam, aber auch eigenständig die Traditionen des Formulierens. Sie basieren einerseits auf kulturell geprägten gesellschaftlichen Gebrauchskonventionen, sind jedoch andererseits auch historischen Veränderungsprozessen unterworfen.
Die Publikation kann erstmals auf breiter Basis darstellen, wie Formelhaftigkeit in historischen Kommunikationssituationen im Zusammenspiel der Medien Text und Bild entsteht, welche Kontinuitäten und Diskontinuitäten ihre Dynamiken auszeichnen und wie sich visuelle und sprachliche Medien beeinflussen. Die thematische und methodische Breite zeigt sich auch im zeitlichen Spektrum des Tagungsbandes: Die Beiträge der untersuchten Texte und Bilder greifen von der Antike bis zur Gegenwart. Sie bereiten den disziplinären Forschungsstand der Formelhaftigkeit auf, um die interdisziplinäre Auseinandersetzung damit zu ermöglichen. Zwei Beiträge im Band widmen sich der Frage nach der Möglichkeit der Aufbereitung sprachlicher und visueller Formelhaftigkeit mit Hilfe der modernen Technologien.