Das Buch entwirft, mit einem Schwerpunkt auf dem Werk Christoph Martin Wielands, die Theorie eines eigenständigen literarischen Klassizismus, der sich als Antikerezeption in einer spezifisch aufklärerischen Form von Kulturhermeneutik verstehen lässt. Danach nutzt literarischer Klassizismus die Antike, angesichts ihres vorrangigen Einflusses auf die späteren europäischen Kulturen, als exemplarisches Modell, an dem Genese und Funktionalität kultureller Muster überhaupt untersucht werden können, Ziel ist die Aufklärung des Lesers über deren Konstruktivität. Die kulturellen Überlieferungsbestände werden dabei zum einen an den Quellen überprüft, zugleich aber in der literarischen Fiktion verhandelt und so die Vorläufigkeit der Kenntnisse mitsamt der daraus folgenden Probleme für die Konstruktion eines homogenen Darstellungsraumes „Antike“ ausgestellt. Über offene literarische Formen tritt der Leser ein in ein komplex verweisendes Bezugssystem von Räumen, Zeiten und Kulturen, das literarischen Klassizismus weniger als rezeptive Imitationsbewegung, sondern als dynamisch agierende Kulturhermeneutik ausweist. Literarischer Klassizismus zeigt sich so als die unabschließbare Suche nach den kulturellen Gründen einer als klassisch bloß konstruierten antiken Vergangenheit.