Anfang der fünfziger Jahre, als er sein ungeahntes Comeback feierte, galt Gottfried Benn als 'der' Dichter der deutschen Nachkriegsliteratur. Die Rehabilitation war im Gange; nach den Beschimpfungen der früheren Jahre war jetzt die Zeit für öffentliche Einladungen, erfolgreiche Vorträge und Radiointerviews gekommen; seine Parlando-Lyrik schien die neue Nachkriegswelt und deren Euphorie mit einem milderen Blick anzuschauen. Einerseits monologische Kunst und Artistik, aber auch vermeintliche Offenheit der neuen Epoche gegenüber; andererseits Zynismus, tiefer Hass gegen das Adenauer-Deutschland und seine wirtschaftlichen Hoffnungen, gegen die "Demokratie" und "das Humanitäre": Das sind die Unvereinbarkeiten des alten Dichters, der seinen inneren Widersprüchen bis zum Ende treu blieb. In diesem Band werden Stellungnahmen und Themen von Benns Poetik am Beispiel der Lyrik, der Prosa-Texte und der Hörspiele der späten Phase untersucht, in denen die wesentlichen Krisen-Merkmale des Alterns nicht zu übersehen sind.